Alfa Romeo 1600 Spider (1966). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA
Alfa Romeo 1600 Spider (1966). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA

Der Spider erobert die Leinwand

Der 24. Juni ist für Alfa Romeo ein historisches Datum: An jenem Tag vor 110 Jahren wurde die Biscione – wie die Traditionsmarke in Italien in Anlehnung an die Schlange im Logo genannt wird – gegründet. Mit der „Storie Alfa Romeo“ wird jetzt im Internet auf die Unternehmensgeschichte zurückgeblickt. Dabei werden nicht nur die bekanntesten Modelle der Marke anhand von Archivaufnahmen aus dem Museo Storico, dem Werksmuseum im Mailänder Vorort Arese, vorgestellt. Der Blick gilt auch der Geschichte und gesellschaftlichen Entwicklung Italiens.

rototyp des Alfa Romeo Giulietta Spider (1955). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA
rototyp des Alfa Romeo Giulietta Spider (1955). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA

„Der Alfa Romeo Spider ist ein sehr einfach zu fahrendes Auto. Außerdem ist er sehr hübsch.“ Dieses Urteil kam von einem außergewöhnlichen Schauspieler – Steve McQueen. Das amerikanische Magazin „Sports Illustrated“ hatte ihn im Sommer 1966 eingeladen, den zu diesem Zeitpunkt neuen italienischen Roadster mit der Konkurrenz zu vergleichen. Der Alfa Romeo Spider, den der „King of Cool“ fuhr, war eines der ersten Exemplare des „Duetto“ genannten Modells, das nach der Weltpremiere einige Monate zuvor auf dem Genfer Autosalon in die USA kam.

Zwei Jahre nach McQueen fuhr der noch junge Dustin Hoffman einen Alfa Romeo Spider zur Musik von Simon & Garfunkel im Kinohit „Die Reifeprüfung“ über die Leinwand. Es entstanden Szenen, die in die Filmgeschichte eingingen und den Duetto zu einem Kult-Auto machten. Auch Boxer-Legende Muhammad Ali fuhr zweitweise einen Alfa Romeo Spider. Angelehnt an sein legendäres Motto „Float like a butterfly, sting like a bee“ (Schwebe wie ein Schmetterling, steche zu wie eine Biene) ließ sich Ali das Kennzeichen „Ali Bee“ für den Wagen der zweiten Modellgeneration geben.

Alfa Romeo Giulietta Spider Veloce (1956). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA
Alfa Romeo Giulietta Spider Veloce (1956). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA

Max Hoffman war die treibende Kraft

Den Grundstein zu diesem Erfolg legte der Vorgänger, der Alfa Romeo Giulietta Spider, der in zahlreichen italienischen Filmen Anfang der 1960er-Jahre auftauchte. Auch in der Geschichte des Alfa Romeo Giulietta Spider spielt ein Hoffman eine entscheidende Rolle. Allerdings nicht der Schauspieler mit Vornamen Dustin, sondern der Geschäftsmann Max Edwin Hoffman. Der geborene Österreicher und begeisterte Rennfahrer war vor dem Nationalsozialismus in die USA geflohen. Dort wurde er innerhalb weniger Jahre zum wichtigsten Importeur für zahlreiche europäische Automobilmarken.

Dadurch war Max Hoffman viel mehr als ein einfacher Händler. Mit seinem profunden Expertenwissen über den amerikanischen Markt gab er seinen Lieferanten Ratschläge zur Handelspolitik und forderte sogar bestimmte Modellvarianten. Auf diese Weise trug er maßgeblich zur Entwicklung einiger der Sportwagen bei. Einer davon war der Alfa Romeo Giulietta Spider.

Das Modell wurde für Hoffmann geradezu zur Besessenheit. 1954, unmittelbar nach dem Marktstart des Coupé-Modells Giulietta Sprint, regte er die Entwicklung eines Roadsters auf dessen technischer Basis an. Er glaubte, dass ein Giulietta Spider das perfekte Auto für die US-Staaten der Pazifikküste sein könnte. Er war überzeugt davon, dass jeder in Hollywood ein solches Fahrzeug kaufen würde. Hoffman war so überzeugt von seinem Erfolg, dass er die Abnahme von mehreren hundert Stück zusagte – noch bevor er die endgültigen Designentwürfe gesehen hatte.

Ein Alfa Romeo 1600 Spider wird im Werk am einen Kunden übergeben (1966). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA
Ein Alfa Romeo 1600 Spider wird im Werk am einen Kunden übergeben (1966). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA

„Die schöne junge Dame“

Hoffman überzeugte die Alfa Romeo Ingenieure Francesco Quaroni und Rudolf Hruska von dem Projekt, das mit einem Wettbewerb zwischen den beiden der Marke verbundenen Designbüros Bertone und Pinin Farina begann. Bertone präsentierte einen extremen Entwurf, eine Weiterentwicklung des von Franco Scaglione gezeichneten Alfa Romeo 2000 Sportiva mit flach auslaufender Front, aerodynamisch verkleideten Scheinwerfern und Heckflossen. Ganz anders der Entwurf von Pinin Farina-Designer Franco Martinengo, der auf Eleganz und klassische Linien setzte.

„Die schöne junge Dame“, wie Pinin Farina seinen Entwurf beschrieb, wies eine Panorama-Windschutzscheibe und gesteckte Seitenfenster auf. Der Prototyp hatte keine Türgriffe, stattdessen aktivierte ein Seil den Öffnungsmechanismus. Erst spätere Versionen bekamen eine traditionelle Windschutzscheibe, konventionell versenkbare Seitenfenster, Türverkleidungen, Stoffverdeck und äußere Türgriffe. Auch der Innenraum wurde stark modifiziert.

Auch Pinin Farina schwebte ein Sportwagen mit hoher Leistung vor. Tatsächlich erhielt die erste Version des Alfa Romeo Giulietta Spider den Motor der Coupé-Version Sprint. Der Vier-Zylinder-Reihenmotor mit einem Hubraum von 1290 Kubikzentimetern leistete 65 PS (48 kW) und ermöglichte eine Spitzengeschwindigkeit von 155 km/h. Die Modellversion Spider Veloce hatte ab 1958 dann 80 PS (59 kW).

Alfa Romeo 1750 Spider Veloce (1969). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA
Alfa Romeo 1750 Spider Veloce (1969). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA

Das italienische Kino schloss den Alfa Romeo Giulietta Spider ins Herz. Starregisseur Federico Fellini setzte ihn im Klassiker „La Dolce Vita“ (Das süße Leben) ein, Kollege Michelangelo Antonioni wählte den Roadster als Alain Delons Auto in „L’Eclisse“ (Liebe) von 1962.

Zur Premiere schipperten drei Autos über den Atlantik

Als die Zeit für einen Nachfolger reif war, ging Alfa Romeo im großen Stil ans Werk. Für die Premiere in den USA wurde eine Luxuskreuzfahrt über den Atlantik organisiert, als Gäste waren rund 1300 Prominente aus Showbusiness, Sport und Mode an Bord. Zu den Passagieren des Turbinendampfers „Raffaello“ zählten die Schauspieler Vittorio Gassman und Rossella Falk sowie die Opernsängerin Anna Moffo. Die „Raffaello“ fuhr von Genua in Norditalien nach New York und machte anlässlich der Filmfestspiele einen Zwischenstopp im französischen Cannes. Während der gesamten Kreuzfahrt waren drei Exemplare des neuen Spider auf dem Schiff prominent ausgestellt: ein grüner, ein weißer und ein roter. Damit zitierte Alfa Romeo die italienischen Nationalfarben, betonte die Herkunft des Roadsters.

Alfa Romeo Spider 2.0i Quadrifoglio Verde (1989). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA
Alfa Romeo Spider 2.0i Quadrifoglio Verde (1989). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA

Der Alfa Romeo Spider 1600, so die offizielle Bezeichnung des neuen Modells, basierte technisch auf dem Coupé Giulia Sprint GT Veloce, allerdings mit auf 2,25 Meter verkürztem Radstand. Zum Marktstart war der Roadster mit dem bewährten Vierzylinder aus Leichtmetall ausgestattet, der aus 1570 Kubikzentimetern Hubraum 108 PS (79 kW) holtee. Bei einem Trockengewicht von weniger als 1000 Kilogramm erreichte der offene Alfa eine Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h.

Duetto bleibt Duetto

Um einen Namen für das neue Modell zu finden, hatte das Unternehmen noch vor der Präsentation in Zusammenarbeit mit allen europäischen Händlern ein Preisausschreiben organisiert. Die Fans entschieden sich mehrheitlich für den Namen „Duetto“. Doch diese Lösung scheiterte an rechtlichen Problemen aufgrund eines gleichnamigen Schokoladenkekses. Und so blieb es bei der offiziellen Modellbezeichnung Alfa Romeo Spider 1600.

Alfa Romeo Spider 1.6 (1990). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA
Alfa Romeo Spider 1.6 (1990). Foto: Auto-Medienportal.Net/FCA

Inoffiziell blieb der Name „Duetto“ allerdings erhalten und bekannt.. Anfangs wurde die erste Generation des Spider, das letzte Werk von Designerlegende Battista Pinin Farina, aufgrund ihrer ellipsoiden Form mit abgerundeter Front- und Heckpartie, konvexen Flanken und sehr niedriger Gürtellinie in Italien „Osso di Sepia“ genannt (Bezeichnung für die aus Kalk geformte Rückenplatte des Tintenfischs). Die 1969 präsentierte zweite Modellgeneration erhielt den Spitznamen „Coda Tronca“ (Kurzheck). Die dritte Serie von 1983, dem Zeitgeist und umfangreichen Versuchen im Windkanal folgend mit Spoilern versehen, kennen Fans unter der Bezeichnung „Aerodinamica“. 1989 kam die letzte Generation heraus, sie wies eine schnörkellose, stromlinienförmige Karosserie auf. Sie wurde ebenso nüchtern „4. Serie“ genannt.

Zwischen 1966 und 1993 verkaufte Alfa Romeo mehr als 124.000 Spider aller vier Modellgeneration. Kein anderes Auto der Marke wurde länger gebaut. (ampnet/jri)